Durchs Donautal auf den Spuren von Kriemhild, Gunther, Hagen & Co
"Zetal durch Ostarriche" reisten sie der Legende nach: Die Burgunderprinzessin Kriemhild auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit dem Hunnenkönig Etzel, ihre Brüder, die "Nibelungenhelden", geradewegs in den Untergang. Voller Pathos und Glorie ist die Geschichte, aber auch voller faszinierender Landschaftsbeschreibungen, die selbst Reisende auf der gegenwärtigen Route des Donau-Radweges zwischen Passau und Budapest noch wiedererkennen werden. Die Etappenorte Passau und Wien natürlich - aber auch Pöchlarn, Traismauer, Tulln oder das ungarische Esztergom rühmen sich bis heute ihrer mythischen Vergangenheit als "Nibelungenstadt".
Der berüchtigte Hort, in der Geschichte die Wurzel allen Übels, soll zwar der Sage nach im Rhein versenkt worden sein, doch wer auf der Suche nach einem richtigen Radreise-Schätzchen mit literarischen Anklängen ist, wird garantiert auch an der Donau fündig.
Radeln im Reich des Ritters "mit der eisernen Hand", Götz von Berlichingen
Pedalritter der Moderne, die aber auch dem Sturm und Drang etwas abgewinnen können, sind bei einer Radreise durch Schwaben auf dem rechten Weg. "Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh ich wusste, wie Fluss, Dorf und Burg hieß", erzählt bei Goethe über diese seine Heimat der freiheitsliebende Naturbursch Götz seinem kleinen Sohn. Wir wollen dennoch ein paar Benennungen vornehmen: Die Flüsse sind Kocher, Jagst und Neckar, zu den "Dörfern" im weiteren Sinn zählen wohl Heidelberg und Heilbronn. Und inmitten dieser Landschaft thront nicht nur bis heute die literarisch verewigte Burg Jagsthausen, sondern auch der historische Wohnsitz des (im wirklichen Leben nicht immer so edlen) Ritters, die Burg Hornberg.
Auch bei der Einkehr in traditionellen schwäbischen Wirtshäusern denken manche vielleicht an bekannte Szenen aus dem Drama. Raufhandel fürstlicher Gefolgsleute oder aufständischer Bauern sind hier heute allerdings nicht mehr zu befürchten - höchstens gesittete Debatten über die Vorzüge verschiedener landestypischer Köstlichkeiten.
Mann, oh Mann: So hanseatisch-maritim lebten also die Buddenbrooks ...
Über 700 Seiten, auf denen der Name Lübeck nicht ein einziges Mal erwähnt wird - und dennoch ist es völlig unverkennbar, wo sich Thomas Manns berühmte Familiensaga abspielt! Wer (zu Fuß oder per Fahrrad) durch die Hansestadt streift, stößt nämlich unweigerlich immer wieder auf Schauplätze der Handlung: Das Holstentor allein wäre natürlich schon ein eindeutiger Hinweis. Aber auch das Haus in der Mengstraße 4, in dem die ehrwürdigen Konsuln und Senatoren des Hauses Buddenbrook nach gediegen großbürgerlicher Sitte residieren, gab und gibt es wirklich. Ein Ausflug zum Möwenstein am Strand von Travemünde erinnert an Tony Buddenbrooks heimliche Treffen mit ihrer Jugendliebe; den Schiffen beim Entladen sahen schon Thomas Buddenbrook und Sohn Hanno bei ihren gemeinsamen Hafenspaziergängen zu.
Maritim norddeutsches Lebensgefühl und hanseatische Traditionen sind allgegenwärtig, sowohl im Buch als auch im echten Leben. Die Ostseeküste bei Lübeck ist eben einfach eine nobelpreiswürdige Reisedestination, die die Fantasie beflügelt und zum Träumen anregt.
Eine "wunderbare Reise durch Schweden" vergeht stets wie im Flug
Jene von Nils Holgersson und den Wildgänsen kennt wohl auch bei uns jedes Kind. Aus luftiger Höhe schauen die ungewöhnlichen Reisegefährten dabei hinab auf Wiesen, Äcker, Wälder, Seen und Schäreninseln, für Nils sieht alles zunächst aus wie ein gewürfeltes Tuch. Und ist das nicht eine hübsche Metapher für die Vielfalt der schwedischen Landschaft, die der Autorin Selma Lagerlöf hier gelungen ist? Eine Vielfalt, die auch Reisende zu schätzen wissen werden, die die schönsten Regionen Schwedens nicht aus der Vogelperspektive, sondern ganz bodenständig per Fahrrad erkunden. Auch auf sie warten wie in der literarischen Vorlage unterwegs ganz sicher viele faszinierende Geschichten und so manche interessante Begegnung.
Asterix, der Gallier: Wie ein Fels in der bretonischen Brandung
Wussten Sie eigentlich, dass die Heimat von Asterix und Obelix, dieses vielzitierte "von unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf", das die Römer partout nicht erobern konnten, in der Bretagne liegt? In antiker Zeit wurde dieser nordwestlichste, kulturell nie so ganz an den Rest des Landes angepasste Zipfel Frankreichs Aremorica genannt. Eine gewisse Eigenständigkeit, nicht zuletzt die keltische Sprache, hat sich hier bis heute erhalten.
Ebenso wie zahlreiche steinerne Monumente aus uralter Zeit, deren genaue Funktion oft ein Rätsel ist. Selbst die Asterix-Erfinder Goscinny und Uderzo sind uns Sinn und Zweck der "Hinkelsteine" schuldig geblieben. Um sie als Souvenir von einer Radreise - zum Beispiel die Loire entlang Richtung Atlantik oder vom alten Piratenhafen Saint Malo aus durchs Land der Druiden - mitzubringen sind sie jedenfalls nicht geeignet. Da müssten Sie vorher schon eine gehörige Menge stärkenden Zaubertrank zu sich nehmen!
Sich in Verona (und in das Veneto) verlieben wie Romeo und Julia
Sind dies die von Zypressen, Olivenhainen und Weinreben gesäumten Wege, auf denen einst berittene Boten die Kunde vom Schicksal Romeos und Julias durchs Land trugen? Lieferten sich in engen mittelalterlichen Gassen wie diesen stolze junge Herren gewitzte (Wort)Gefechte? Wurden bei den Festmahlen der Montagues und Capulets die gleichen kulinarischen Köstlichkeiten serviert wie sie noch heute Reisenden zur Stärkung dienen?
Man kann es sich leicht vorstellen! Nicht nur die Stadt Verona, wo an der Casa di Giulietta der wohl berühmteste Balkon der Literaturgeschichte zu finden ist, sondern das ganze Veneto und auch die umliegenden Regionen Norditaliens besitzen einen Zauber, der seinesgleichen sucht und neben dichterischen wohl auch zu sportlichen Meisterleistungen zu inspirieren vermag. Wer sich im Rahmen einer Radreise diese herrlichen Landschaften hautnah einverleibt, muss sie einfach lieb gewinnen und klagt womöglich selbst beim Abschied mit den Worten Shakespeares: "Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?"
Diesen Flecken Italiens durchstreifte schon "Il Gattopardo"
Con molto passione durch Bella Sicilia! Große Leidenschaften, große Literatur, großes Kino und große Radreisefreuden. Für all das bietet Italiens größte Insel die ideale Kulisse. Hier befindet sich das Fürstentum von Don Fabrizio Salina, dem "Leopard" aus Giuseppe Tomasi di Lampedusas gleichnamigen Roman: Ein Besitz, den der alte sizilianische Adel in einer Zeit des politischen Wandels mit allen Mitteln erhalten will.
Wir, die wir von dem beschaulichen Leben auf dem Landgut, rauschenden Festen in der Stadt oder den Jagdausflügen in die Berge gelesen haben, können es beinahe nachempfinden - umso mehr wenn wir das Revier des Leoparden im Rahmen einer Radreise zu unserem eigenen machen. Wer seine Sizilienreise geschickt wählt, kommt obendrein auch noch an den Drehorten der meisterhaften Romanverfilmung von Luchino Visconti vorbei. Buch oder Film: Was ist also das größere Kunstwerk? Am Ende ist es vielleicht doch die sizilianische Landschaft selbst ...
Raus aus dem Wohnzimmer und rein in die fantastischen Universen unserer Lieblingshelden, lautet also das Gebot der Stunde. Denn wie schon der Heilige Augustinus wusste: "Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon."
Und wenn Sie erstmal alle Ihre literarischen Lieblingsregionen abgeklappert haben und auf der Suche nach neuen Anregungen sind, schaffen wir natürlich auch gerne Abhilfe. Immer wieder neue Leseempfehlungen zum Thema Radeln und Reisen gibt's auf unserer Magazinseite:

Und nach dem letzten Kapitel fangen die schönsten Seiten des Radlerlebens erst an ... (Bild: kite_rin)